Bericht vom Forschungsprojekt Beratungskompetenzen unseres Dachverbandes 2021-2024
Beratung als anerkannter Beruf in Deutschland – das ist ein wichtiges Ziel von ACC und auch unseres Dachverbandes, der Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGfB). Berufen und Berufsbezeichnungen sind jeweils Kompetenzniveaus zugeordnet, die im Deutschen Qualifikationsrahmen DQR (und ähnlich lautend im Europäischen Qualifikationsrahmen EQR) beschrieben werden. Insgesamt gibt es dabei acht Levels, vom einfachen, angelernten Arbeiter (Level 1) bis hin zum Bachelor / FH-Absolventen (Level 6), dem akademischen Master / Diplom (Level 7) und dem Forschungs-Experten / Doktor (Level 8). Selbstreflexive Beratung (also dort, wo es um die Person der Ratsuchenden geht) ist eine komplexe, vielschichtige und hoch flexible Tätigkeit die vielfach mit unvorhersehbaren neuen Herausforderungen einhergeht, für die es keine fertigen Lösungen gibt – und damit mindestens auf Level 6 angesiedelt; darin besteht in der DGfB Einigkeit.
ACC hat sich bereits in den ersten Jahren des Bestehens der DGfB erfolgreich dafür eingesetzt, dass dieses Kompetenzniveau nicht zwingend ein akademisches Studium voraussetzt, sondern auch über vorausgegangene nonformale und informelle Bildung (z.B. Berufs- und Lebenserfahrung etc.) und über eine solide Beratungs-Ausbildung erreichbar ist. Im Zuge einer Anerkennung als Beruf stellt sich aber (nicht nur für ACC, sondern für alle Ausbildungsverbände in der DGfB) die Frage, welche Kompetenzen eine Beraterin haben muss und wie diese Kompetenzen im Verlauf der Ausbildung aufgebaut und überprüft werden können. Letztlich geht es darum, Ratsuchende davor zu schützen, in ihrer Not und mit ihrem Beratungsbedarf an inkompetente Berater zu geraten, die alles noch schlimmer machen.
Zu diesen beiden Fragen (welche Kompetenzen benötigt eine Beraterin – und wie lassen sich diese Kompetenzen überprüfen?) hat die DGfB mit Unterstützung fast aller Mitgliedsverbände (auch ACC) 2021 ein wissenschaftliches Forschungsprojekt gestartet mit Forschern aus verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen. Es wurde die wissenschaftliche Literatur zur Beratungsforschung nach Kompetenzen durchforstet und Unterlagen der Ausbildungsverbände (z.B. Ausbildungsbeschreibungen, Ethikleitlinien, Grundlagenpapiere…) systematisch ausgewertet. Die gefundenen Kompetenzbeschreibungen wurden Experten aus den Verbänden zur Einschätzung vorgelegt (auch von ACC waren fünf Personen dazu angeschrieben), und letztlich ergab sich über zwei Durchgänge ein Grundstock von 555 Kompetenzformulierungen, die mit relativ großer Übereinstimmung als wichtig für die Beratungstätigkeit erachtet wurden.
In einem zweiten Schritt wurden – wiederum aus der beratungswissenschaftlichen Literatur und aus Rückmeldungen von Verbandsvertretern – Verfahren zur Kompetenzüberprüfung gesammelt und vorgestellt. Einigkeit besteht darin, dass die vielfältigen Beratungskompetenzen auch auf verschiedenen Wegen trainiert und überprüft werden müssen. Also nicht nur durch Wissensabfragen, sondern auch durch Rückmeldung in Übungsgruppen, durch Darstellung eigener Beratungstätigkeit und Gespräch darüber, Selbst- und Fremdreflexion, Ideenentwicklung zu fiktiven oder realen Fällen und viele andere Möglichkeiten. Es wurden auch wissenschaftliche Instrumente zur Kompetenzüberprüfung gesammelt und vorgestellt.
Die Forscher und Forscherinnen haben im Frühjahr 2024 ihren Bericht vorgelegt und eine Abschlussbesprechung mit den beteiligten Ausbildungsexperten aus der DGfB durchgeführt. Für ACC waren Kathrin Schäfer und ich (Friedemann Alsdorf) dabei. Wie geht es nun weiter?
Zum einen müssen die Forschungsergebnisse noch für die Umsetzung in der (Ausbildungs-)Praxis aufbereitet werden. Dazu haben sich aus dem DGfB-Vorstand und den beteiligten Experten drei Arbeitsgruppen gebildet, die folgende Aufgaben bearbeiten:
- Bündelung der bisher 555 Beratungskompetenz-Items zu einer übersichtlichen Struktur und Operationalisierung der Items mit dem Ziel, am Ende eine überschaubare und in der Ausbildungspraxis umsetzbare gemeinsame Grundkompetenzen-Liste zu gewinnen (wozu z.B. Empathiefähigkeit, Rollenklarheit als Beraterin etc. gehören würden). Die einzelnen Ausbildungsverbände bzw. -Werke fügen dann noch Kompetenzen, die für ihren Ansatz besonders wichtig sind, hinzu (ACC z.B. geistliche Kompetenzen etc.).
- Systematisierung und praktische Aufbereitung der Kompetenzfeststellungsverfahren, Abgleich mit den Verbänden sowie Zuordnung zu den Kompetenzkategorien und Einzelkompetenzen mit dem Ziel, einen Katalog praxisgerechter Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen und Mindeststandards zu formulieren.
- Begleitung des politischen Prozesses einer Etablierung von Beratung als Beruf.
Friedemann Alsdorf ist bereit, in der Arbeitsgruppe 1 mitzuarbeiten, Kathrin Schäfer in der Arbeitsgruppe 2.
Zum anderen werden in Zukunft sowohl ACC insgesamt und auch die einzelnen Ausbildungsinstitute vor der Aufgabe stehen, für ihre Ausbildungen zu beschreiben, welche Kompetenzen angestrebt und wie diese überprüft werden und dies mit den (noch zu erstellenden) DGfB-Grundanforderungen zu harmonisieren. Eine Zertifizierung, die vor allem auf Unterrichtsstunden basiert (wie es aktuell der Fall ist), wird so in den nächsten Jahren abgelöst werden. Die von 2022 bis 2024 von den ACC-Vorständen vorangebrachte Systematisierung der Akkreditierung und Zertifizierung war aber nicht umsonst, sondern wird dafür eine wichtige Ausgangsbasis sein.
Ich bin davon überzeugt und bete dafür, dass von dem jetzt kommenden Prozess, auch wenn er uns an manchen Stellen Arbeit abverlangt, wichtige Impulse zur Weiterentwicklung unserer Beraterausbildungen ausgehen werden – mit Gottes Gnade zum Segen für Berater und Ratsuchende.
Kitzingen, 23.07.2024 Friedemann Alsdorf